Neue Maßstäbe bei der Prüfung von Marineelektronik
Was bewegt sich mit 50 Knoten, durchschneidet lieber die Wellen, als darüber zu springen, und bietet eine sehr dynamische Plattform zum Testen der Fähigkeiten der Schiffselektronik für militärische und kommerzielle Anwendungen? Antwort: Ein 16 m langes ehemaliges Militär-Abfangboot aus Kohlefasern, das sich derzeit in der letzten Phase eines umfangreichen Umbaus durch den langjährigen Simrad-Integrator Ambex Ltd.
Anfang der 2000er kamen VSVs (Very Slender Vessels, sehr schlanke Schiffe) auf den Markt. Dieses Design wurde als Mittel gegen die teils mehr als 20 g starken Stöße entwickelt, denen die Crews von Patrouillen- und Abfangbooten bei der Beschleunigung unter widrigen Bedingungen ausgesetzt waren.
Das VSV-Konzept ist einfach – statt auf den Wellen zu springen, ist es so konzipiert, dass es sie durchschneidet. Diese wellenschneidende Form mit ihrem pfeilförmigen Bug wurde von mehreren Streitkräften und Behörden auf der ganzen Welt übernommen. Ihr flach auf dem Wasser liegender Rumpf macht sie schwerer auf dem Radar erkennbar. Und sie ist schnell! Halmatic baute ein 16-m-Modell mit einer Breite von knapp über 3 m, und ein anderer Hersteller ging mit einer 22-m-Version in Produktion.
Auftritt Ambex
Ambex arbeitet seit 1980 in den Bereichen Design, Lieferung, Integration, Schulung, Tests und Support für elektronische Navigations-, Kommunikations- und Überwachungssysteme in der Seefahrt. Seine Fachgebiete sind behördliche- und militärische Anwendungen.
Das Unternehmen befasste sich zum ersten Mal mit VSVs, als diese für verschiedene Streitkräfte und paramilitärische Organisationen auf der ganzen Welt produziert wurden. Ambex Miteigentümer und Geschäftsführer Will Smith erklärt: „Wir waren ursprünglich an der Ausrüstung von Elektronik, Kommunikations- und Überwachungstechnik für mehrere dieser VSVs beteiligt. Wir führten die Wartung durch und nahmen ein paar Änderungen vor, um die Leistungsfähigkeit während der gesamten Servicezeit zu verbessern. Ich wusste, dass wir eine großartige Plattform für Geräte- und Integrationstests hätten, wenn wir eines davon in unsere Hände bekämen.“
„Ambex arbeitet nicht aus einem Ausstellungsraum heraus, sondern wir bevorzugen das Testen, Demonstrieren, Prüfen und Experimentieren mit verschiedenen elektronischen Systemen direkt in den Booten. Ein Großteil unserer Arbeit besteht darin, Lösungen zu finden, die eine bestimmte behördliche oder militärische Spezifikation erfüllen. Unsere Empfehlungen müssen auf See in einer Umgebung getestet werden, die dem vorgesehenen Betrieb so nahe wie möglich kommt.“
Ein neues Testniveau
Ambex verwendet seit einiger Zeit ein 17-m-Einrumpfboot mit traditionellem Design namens Inquisitor, das 20 Knoten fahren kann. Nachdem man einige Zeit nach der Möglichkeit zum Kauf eines VSV gesucht hatte, bot sich 2019 die Gelegenheit, eine 15 Jahre alte 16-m-Version zu erwerben, die mehr als doppelt so schnell fahren kann.
In den letzten zwei Jahren hat das Unternehmen mit einer kompletten Neukonstruktion des Rumpfes begonnen, einschließlich eines völlig neuen Antriebssystems mit einem Paar Caterpillar C7,1-Sechszylinder-Dieselmotoren mit 7 l Hubraum und 500 PS, die mit France Helices-Oberflächenantrieben über zwei ZF-Getriebe verbunden sind. Bug- und Heckstrahlruder werden das Leben in und um die Marina enorm erleichtern.
Das VSV von Ambex ist in jeder Hinsicht ein neues Modell basierend auf einem vorhandenen Rumpf, das zwar praktisch, aber dennoch komfortabler ausgestattet ist, einschließlich Dusche, Toiletten, Unterkunft und Bordküche. Die Sicherheit der Crew wird durch die Verwendung der neuesten stoßdämpfenden Sitze von Allsalt Maritime verbessert. Die Einbaubereiche für die Marineelektronik ermöglichen ein einfaches Ein- und Austauschen des Testkits.
Simrad Systeme im Kern
Ambex wandte sich wegen der Anpassung der primären Systeme des VSV an Simrad, mit dem man bereits eine langjährige Beziehung unterhielt. Will erläutert: „Der Steuerstand sah früher wie ein altes Dakota-Flugzeug aus und enthielt eine ganze Reihe von analogen Anzeigen. Diese wurden alle durch ein einzelnes, dediziertes Simrad NSO 24-Zoll-evo3-Multifunktionsdisplay ersetzt. Die Position des Navigators hat ein eigenes NSO 16-Zoll-evo3-Display. Wir haben auch eine Außenfahrposition hinzugefügt, die ebenfalls ein NSS 9-Zoll-evo3-Display enthält, um das Manövrieren im Hafen zu erleichtern. Diese Bildschirme ermöglichen es uns, alle wichtigen Funktionen des VSV von jeder Position aus zu überwachen und zu steuern.“
„Simrad hat schon immer die besten Autopiloten der Welt entwickelt. Daher war es sinnvoll, einen AP2004-Autopiloten zu verwenden, und wir integrieren einen elektronischen HS60-GPS-Kompass-Sensor für präzise Kursinformationen. Außerdem verwenden wir ein digitales Simrad IS42J-Messgerät als Schnittstelle zwischen den Motoren und unserem NMEA2000-Netzwerk.
Unsere Auswahl der Radargeräte unterscheidet sich von der Norm für wellenschneidende Schiffe, die in der Regel mit einer geschlossenen Radom-Ausführung ausgestattet sind, um das Array vor Wasserschäden zu schützen. Bedingt durch das Design des VSV ist die Sicht von der Hauptruderposition aus eingeschränkt, während bei Höchstgeschwindigkeit fast eine Meile pro Minute zurücklegt wird. Da ist das beste Radarbild im Fern- und Nahbereich äußerst wichtig.
Wir haben bereits auf unserem anderen Testboot viele praktische Erfahrungen mit der ausgezeichneten Leistung des Simrad HALO-3-Pulskompressionsradars gemacht. Um die offene Balkenantenne zu schützen, haben wir eine Kohlefaserhalterung mit einem Wellenbrecher entwickelt, um über Deck spülendes Wasser umzuleiten. Das ist typisch für das, was wir für unsere Kunden tun, um eine technische Lösung für ein bestimmtes Problem zu entwickeln.“
Testmissionen
Nach der vollständigen Inbetriebnahme übernimmt das VSV eine Reihe von Aufgaben, wobei es als Hochgeschwindigkeits-Testumgebung für Simrad-Geräte dient. Ambex arbeitet in enger Kooperation mit Simrad an einem Auftrag des Verteidigungsministeriums über neue Schulungs-, Tauch- und Personentransport-Ausbauten. Das VSV wird dabei die Möglichkeiten zum Testen neuer Integrationen für Marineelektronik auf Schiffen für verschiedene Zwecke deutlich erweitern.
Das vernetzte Design der Simrad-Installation macht es zudem zu einer perfekten Testumgebung für die Forschung an autonomen Systemen. „Das SDK (Software Developer Kit) von Simrad, der vollständig integrierte Autopilot, Radar und elektronisch verwaltete Motoren ermöglichen eine schnelle Verbindung mit Lösungen von Drittanbietern für die unbemannte Bootssteuerung. Zudem ist das VSV die Art von Fahrzeug, die man über den Horizont schicken kann, ohne sich Sorgen über ein Kentern machen zu müssen – ganz im Gegensatz zu herkömmlichen Gleitbooten.“
Zusätzlich erwartet man bei Ambex, dass sich das VSV sehr gut als autonomes Hochgeschwindigkeits-Verfolgungsboot oder sogar als Tender für die Verfolgung der neuesten Generation von Tragflügelyachten machen wird. Da die segelbetriebenen Tragflügelboote vom America's Cup inzwischen bis zu 50 Knoten erreichen, sind die neuen Generationen von Segelbooten mittlerweile schneller als die meisten motorisierten Fahrzeuge.
In erster Linie ist das Ambex VSV jedoch für seine Testfunktion da. Obwohl die g-Belastung bei hoher Geschwindigkeit geringer als bei einem breiteren Boot ist, wird die Dynamik im Einsatz auch weiterhin die Hardware, Integration und Benutzerergonomie auf eine harte Probe stellen.
„Da das Boot uns gehört, können wir damit tun, was wir wollen“, sagt Will. „Wir sind ein kleines Unternehmen und können sofort entscheiden, ob wir die Konfiguration an die für eine bestimmte Spezifikation erforderlichen Einstellungen anpassen möchten.“
Das VSV wird im Vereinigten Königreich vom ehemaligen Royal Naval Royal Clarence Ordnance Yard aus eingesetzt, der heute als Yachthafen im Hafen von Portsmouth dient und nur wenige Minuten vom offenen Meer entfernt ist. Wenn Sie am Solent eine Bootstour machen oder diesen Sommer einen Besuch planen, dann halten Sie doch einmal nach der Spritzwasserspur Ausschau, den die Oberflächenantriebe dieses VSV verursachen. Vielleicht testet Ambex da draußen gerade zukünftige Konfigurationen von Marineelektronik.